Getränkemärkte sind gemeinhin nicht als Orte des gehobenen Lifestyles bekannt. Es geht um Flüssiges aller Art, verpackt in möglichst transportablen Gebinden. Und es geht um Mehrweg, vom Sprudelkasten, einerlei ob aus PET oder Glas, bis zum Kasten Bier – vom Fernsehbier, über Eigenmarken bis zum trendigen Craft Beer für 4,99 die Flasche.

Daß in dieser einfach erscheinenden Branche ebenso tiefgehende Marketing-Analysen gefragt sind wie in unserer sonstigen geliebten Markenwelt, das war das Überraschende an diesem Abend – rund um die „Finkbeiner-Getränkemärkte“, die man in dieser Region nicht vorstellen muss. Der Vortrag von Gabriele Finkbeiner hatte wirklich alles: Details zum Thema Getränke-Markt und zur Entwicklung im deutschen L-EH (Überraschung: Die Discounter wachsen nicht mehr, Edeka und Rewe bieten Paroli …) Informationen zu Standorten, Mitarbeitern, Eigenmarken und Strategie. Dabei legte die sympathische Referentin (Mutter von 4 Kindern und „studierte BWLin“) Wert auf Dialog. Sie wollte ihrerseits von den Anwesenden wissen, wie sie die Aktivitäten des Unternehmens sehen: „Was würden sie mit einem Budget von 250.000 Euro machen“ – um uns voran zu bringen, so lautete ihre Frage ans Publikum? Das kommt nicht alle Tage vor, in der Welt der selbstbewussten Marketing-Könner. So gefordert, war die Atmosphäre gelockert und es ergaben sich wie von selbst Zwischenfragen und Dialoge. Das hat ganz einfach Spass gemacht!
Hier einige Basics: Finkbeiner wurde 1964 als Familienbetrieb gegründet. 350 Mitarbeiter in 80 Märkten mit einem Einzugsgebiet von 150 km um Ulm erwirtschaften einen Umsatz von 57 Mio Euro. 70% der deutschen Getränkemärkte sind filialisiert, nur noch 30% Einzelbetriebe. Der Deckungsbeitrag der FB-Eigenmarken ist entscheidend und beträgt bis zu 40%. Finkbeiner geht also selbst in die Produktentwicklung, lässt jedoch produzieren und abfüllen. Der Schuster bleibt bewusst bei seinen Leisten, und der Schuster legt Wert auf Unabhängigkeit! Am Schluss stand das Zitat: „Die Kraft Ja und Nein zu sagen ist der größte Luxus eines Unternehmens“. Wer würde da heute widersprechen?

Natürlich profitiert Finkbeiner von der starken Region (Ulm ist Top 5 in Ba-Wü) und dem Qualitätsbewußtsein der hier lebenden Menschen. Zum Beispiel wurde ein erheblicher Preissprung von O-Saft aus Konzentrat gegenüber dem besseren Direktsaft von allen Kunden akzeptiert. Das Mineralwasser aus der Tiefe unter uns, oft mehrere tausend Jahre alt, hat eine bessere Qualität als unser gerühmtes Leitungswasser. (Stichwort Medikamenten-Reste im Trinkwasser…) ist also allemal sein Geld Wert.

Finkbeiner war früh ein Verfechter des Mehrwegs und wird dies auch bleiben. Natürlich verändert sich der Handel heute. REWE hat es vorgemacht, selbst ALDI denkt nach und betreibt erstmalig Fernsehwerbung (zu sehen gab es den viel gelobten ALDI-Spot, der freilich für viele andere Produkte stehen könnte ?) Die Präsentations-Qualität im Handel ist in den letzten Jahren auffällig gestiegen. Attraktive Standorte und Flächen sind überdies nicht einfach zu finden. Gelegentlich würde auch Finkbeiner (…als Investor) zugunsten eines breiten Sortimentes an einem Standort auf größere eigene Flächen verzichten. Die Mitarbeitersuche sei nicht einfach, aber die Arbeit in einem familiengeführten, Unternehmen biete auch Vorteile, die mehr und mehr erkannt würden.

Die beste Differenzierung gelingt dem Mittelständler jedoch über eine ausgefeilte Eigenmarken-Strategie, bei der nicht allein der Preis im Focus steht. Bei nicht alkoholischen Getränken, bei Säften und Bieren bietet Finkbeiner innovative Eigenmarken, wie z. B. das Steinie-Bier oder hochwertige Frucht-Schorle, die entscheidenden Anteil am Erfolg haben. Hier kooperiert Finkbeiner mit kleinen regionalen Produzenten. Wobei man diese Marken z. T. auch anderen Händler-Kollegen anbietet, aber eben nicht dem konkurrierenden LEH. Eigenmarken sind jedoch eine Gradwanderung, denn die Kunden sollen von solchen Marken nicht umzingelt sein. Und langsames Wachstum sei allemal besser als ein Mega-Erfolg, der alles „durcheinander“ bringe. Deshalb bevorzuge man Dauerpreise und keine „unvernünftigen“ Preis-Spreizungen, wie sie in Verbrauchermärkten heute üblich sind. Und von umstrittenen Aktionen wie der von Lidl „Du hast die Wahl – billig oder teuer …“, hält die Unternehmerin selbstredend nichts. Das sei pure „Wertevernichtung“!
Kundenkarte, Gutscheine, Neuheiten, Mitarbeiter.-Wettbewerbe sind weitere Marketing-Tools, die angewandt werden. Ein Kinospot soll jüngere Ziel-Gruppen erreichen. Mit 5% Rücklaufquote (direkt im Laden gemessen) sei man sehr zufrieden. Natürlich bleibt die Herausforderung, die schwer greifbare jüngere Generation zu treuen Kunden zu machen – hier wartet noch Arbeit auf den Getränke-Spezialisten und wie es scheint, nicht nur auf diesen? Außerdem stehe das Thema Liefer-Service auf dem Programm, das derzeit von ersten, aggressiv auftretenden Start ups in Berlin angegangen werde.
Finkbeiner jedenfalls, ruht sich auf dem Erfolg nicht aus, sondern gestaltet die eigene Zukunft - aktiv und motiviert. Dabei regiert der Gesunde Marketing-Verstand, wie er sich für die Region grundsätzlich empfiehlt. Es folgte eine lebhafte Diskussion, bevor sich Präsident Dr. Bernd Radtke bei der Referentin mit dem obligatorischen Präsent für einen spannenden Club-Abend bedankte. In diesem Falle war es zur Abwechslung keine Finkbeiner-Eigenmarke …

gm