Der Abend begann mit "Look and Feel" auf die neuen Modelle von Jaguar.


// Schnitt //
Ein deutscher Schulhof in den 60er Jahren. In der Pause wird Auto-Quartett gespielt, aber nach Leistungswerten: PS, Zylinder, Geschwindigkeit. Der Joker ist rot, schnittig und kommt aus England. Es ist der Jaguar E -TYPE. Wow, was für eine Rakete! Nun gut, CO2 Ausstoss und Kofferraum standen damals nicht im Focus. // Schnitt // Donau Masters Oldtimer Rallye in den 2010er Jahren. Am Straßenrand vor dem Hungaroring stehen zwei grüne Jaguar XK Oldtimer - vereint in der Panne. Das kann passieren! Die Fahrer starren hoffnungsfroh in den Motorraum, der Mercedes Mechaniker ist mit seinem Latein am Ende und meint: „ ... um das Auto zu verstehen, mußt Du Engländer sein." Mit solchen Geschichten wurde nicht nur der Mythos befördert, es wurden auch Vorurteile befeuert: Wer Jaguar fährt, der sollte besser gleich zwei kaufen. Einer steht immer.
Aber, das war einmal! Seit die Marken Jaguar und Land Rover in 2008 von Ford an den indischen Großindustriellen Tata (100 Firmen, 100 Mrd. Dollar Umsatz) übergingen, wurden die Karten neu gemischt. Mittlerweile hat sich das Blatt gewendet, aktuelle Zahlen zu beiden Marken: Umsatz plus 300%, Verkäufe plus 100%, Mitarbeiter plus 100%. Und nebenbei ein nagelneues Motorenwerk in Wolverhampton, von „Her Royal Highness“, der Queen persönlich eingeweiht. Da kommt Respekt auf und die Frage, was hat Marketing dazu beigetragen??

Die Antwort für die rund 50 Zuhörer gab Bernd Mattick, Manager Retail Marketing bei der Jaguar Land Rover Deutschland GmbH und das tat er nicht unterkühlt britisch, sondern mit deutschem PS-Herzblut. Schließlich steht auch ein Deutscher in der Geschäftsleitung und bringt kompetente 20 Jahre BMW-Erfahrung mit: Dr. Ralf Speth aus Roth bei Nürnberg – ob er wohl der „deutschen Konzernkrankheit“ überdrüssig war? – das jedefalls meint die nette Legende. Da kann er bei Jaguar im kleinen Team mehr bewegen, freilich mit entsprechend kleinem Budget, was andererseits kreativ macht, wie wir noch erfahren werden.


Tradition wird bei Jaguar heute (nur noch relativ) „groß“ geschrieben: Mit Performance, Design und Emotion – und natürlich Zuverlässigkeit - will man die vierte Premium-Marke auf dem Kontinent werden und dazu wird gerade eine kpl. neue Fahrzeug-Range aus dem Boden gestampft. 9000 Ingenieure und Designer arbeiten an 11 Modellreihen, ermöglicht durch die vom Eigner festgelegte Reinvestition des jährlichen Gewinnes für die nächsten 10 Jahre. Das ist die Strategie von Herrn Tata, der den ROI offensichtlich nicht so schnell benötigt wie der Vorbesitzer Ford. Ein Inder erinnert die Briten an ihr Heritage und die Shareholder-getriebene Automobilwelt an ein Leben jenseits der Quartals-Mitteilungen. Sehr sympathisch dieser Herr Tata. Sehr sympathisch diese Marke.


Die Markenpyramide hat als breite Basis die wachsende Produkte-Palette und verspricht Performance und Design. In der nächsten Stufe wollen die Sinne begeistert werden und an der Spitze finden wir schließlich die „Art of Performance“. Das ist schlüssig aufgebaut, sofern keine Ausreisser dazwischenfunken. (Warten wir ab, wer das Motormanagement geliefert hat ...) Der Referent betonte die insgesamt sportliche Herausforderung für Marketing und Vertrieb, angesichts der riesigen Marketing-Budgets der etablierten Premium-Marken.
Kommen wir zu den Marketing-Aktivitäten. Zuersteinmal sollte auch das Händlernetz auf ein erkennbares und wertiges CI gebracht werden. Gut 60 Händler werden sich ausschließlich auf die beiden Marken konzentrieren, sie erhalten einen einheitlichen Auftritt und müssen dafür ordentlich Geld in die Hand nehmen. Keine Frage - der Flagship Store in Frankfurt sieht richtig gut aus. Ein warmer Britischer Stil wird beim Interieur der Verkaufsstätten durch dezenten Holzeinsatz erreicht. Das steht absichtlich im Kontrast zur kühlen Präsentation einiger deutscher Premium Marken. Genauso wie in englischen Filmen oft die Deutschen die Bösen sind, gelten die „British Villains“, also die britischen Ganoven im amerikanischen Kino oft als die „bad guys“. So pflegt jede Nation ihre Vorurteile. Daraus bastelte die Tata-eigene Werbeagentur für Jaguar einen aufwendigen Werbefilm, der beim Superbowl geschaltet wurde. Der freche claim am Ende lautet „Oh yes, it´s good to be bad ..."
Detail am Rande: Das Jaguar Logo wurde auch in 3-D re-designed und findet sich neben dem springenden Jaguar u. a. an der Fahrzeug Front. Interessant war die Aussage, dass bereits 2-3 Jahre vor Markteinführung für ein neues Fahrzeugmodell geworben wird. So lange dauert es, bis sich die Neuigkeit am Markt herumgesprochen hat, wenn das Werbebudget nur im niedrigen zweistelligen Millionenbereich liegt. In großen Städten sind darüberhinaus reine Showrooms geplant, in denen auch Veranstaltungen zu ausgesuchten Themen stattfinden. (wie knackt man die Bank von England und weitere Theman für bad guys :-))

Besonders raffiniert warb man für die Einführung der XE-Baureihe. Man nehme die Fahrzeuge der Mitbewerber und beklebe sie in der Art eines Erlkönigs. Hinzu kommt der Schriftzug www.der-neue.com. Der Autofreund erkennt natürlich den A4 oder die C-Klasse und möchte sich über dessen Nachfolger informieren. Aber er landet prompt bei Jaguars neuer XE-Klasse. Clever gemacht, wenn sogar die Autobild mit einem Film über diese Aktion berichtet. Böse Jungs können eben auch Guerilla-Marketing …
Mann/Frau darf gespannt sein, was in der nächsten Zukunft an Fahrzeugen mit dem neuen, frischen Jaguar- appeal von der Insel „springen“ wird. Und warum sollten diese Premium-Katzen nicht sogar ein paar Pfund mehr kosten …- obwohl: So schlecht wäre der Brexit für uns dann auch wieder nicht. Jaguar günstiger als VW - das wäre dann ein echter Game Changer!
Ein schöner Vortrag, schöne Fahrzeuge, schönes Wetter und schöne Stimmung. Und seien wir ehrlich, natürlich wären uns die Engländer mit Ihrem noblen fairplay und feinen Stil allemal lieber als die Italiener … – bei der EM.

Der Geschäftsführende Vorstand des MC Ulm/Neu-Ulm, Armin Weidt dankte dem Referenten für seinen engagierten Vortrag. Ebenso den Vertretern des Augsburger-Autohauses Haas, das den regionalen Markt erfolgreich bearbeitet und für diesen Abend zwei Fahrzeuge zur Verfügung gestellt hatte.
Bericht: Günter Merkle
Fotos: Peter Reiser