MC Präsident Dr. Bernd Radtke begrüßte Mitglieder und Gäste zum ersten, gut besuchten Vortrag im Jahr 2017 und bekannte sich zur Vorfreude, auch im Neuen Jahr wieder die Menschen hinter bekannten Marken der Region kennenlernen zu dürfen. Eine tolle Erfahrung, die so nur der Marketingclub seinen Mitgliedern bietet.

Der Abend begann etwas seltsam, jedenfalls aus der Sicht der reinen Marketing-Lehre. Denn, wenn sich eine Firma „vorgeblich“ nicht um Marketing kümmert und trotzdem alles richtig macht, dann sind wir im Grenzgebiet Schwäbische Alb/Oberschwaben, denn dort wird viel nachgedacht, wenig „gschwätzt“ und dann gemacht. Den Dingen müsse man auf den Grund gehen - so war zu hören. Die Dinge, das sind 8 Biersorten, die nach einer Prognose von Roland Berger, 1980 auf einem Kongress geäußert, heute alle Pils heißen müssten. Nur dieses Bier könne künftig das Überleben der Brauerzunft sichern. Doch Totgesagte leben eben länger und, ehrlich gefragt, wer trinkt heute freiwillig noch Pils südlich der Mainlinie?

„Bier“ gehört zum Deutschen Markenkern – dieses Statement stand am Beginn des Vortrages von Ulrich Zimmermann, Chef der mittelständischen Berg-Brauerei aus Ehingen-Berg: Früher hieß es einfach nur "Adler-Bier“. Trotz klassischer Werbung mit hohem CI-Faktor wird es in Ehingen noch immer so genannt, weshalb der Adler auf dem Etikett wieder größer gemacht wurde. Soviel zum Thema regionale Beharrungskräfte contra Marketing-Kommunikation. Jeder Kampagnen-Euro wäre da wohl zuviel gewesen. Die Marke ist zu einem Teil der DNA geworden.
Ulrich Zimmermann wolle keinen Vortrag über Marketing halten, er lehne es auch ab, sich die Worte auf den Leib schreiben lassen und Zahlen würde er schon gar keine nennen. Okaaay – ein Raunen ging durch das Auditorium! Das konnte ja heiter werden und wurde dann tatsächlich sehr heiter, denn das Thema wuchs aus sich selbst heraus. Authentisch gedacht und vorgetragen sowie eben doch durch Zahlen geprägt - Jahreszahlen: Es begann mit dem Jahr 1466, ging über Maria Theresias klamme Staatskasse anno 1757, weiter über insgesamt 21 Inhaber-Generationen, bis zum Ulrichsfest am 4. Juli 1911. 1981 wäre die Serie beinahe zu Ende gewesen, aber Roland Berger lag gottseidank falsch.


Von da an ging´s „Berg“-auf! Langsam zwar, denn an den neuen alten Geschmack des malzigeren Ulrichs-Bieres mussten sich die Menschen erst gewöhnen. Mehr Zahlen gefällig? Heute arbeiten bei Berg-Bier 34 Mitarbeiter sowie rund 20 Helfer und in der pittoresken Wirtschaft kommen weitere 12 hinzu. Außerdem ständen noch vier Kinder in den Startlöchern, wobei ein Kind bereits ans Lehramt verloren sei. (Das Publikum lacht …) Ein Ulrich Zimmermann jun. sei aber auch dabei, was durchaus Einsparungen bei den Garnituren bedeuten könne, wenn kein neuer Eignername eingraviert werden müsse. Das nennt man nachhaltig. Die Kunst sei es wohl, den Staffelstab im rechten Moment zu übergeben. Hier spricht ein Mann, dem die Vorgänger im Nacken sitzen. Tradition verpflichtet eben.

Von ca 1100 verbliebenen deutschen Brauereien befinden sich 630 in „Bavaria“ und rund 170 im „Ländle“. Das Brauverfahren der „offenen Obergährung“ beim Weizenbier pflegen im Bier-Mutterland noch 20 Brauer und in Ba-Wü nur ein „Gottiger“ - wen wundert´s, es ist der Brauer auf dem Berg. Den Hefeschaum von Hand abzuschöpfen, das dauert eben etwas länger und dem Bier mehr Zeit zur Reife zu geben, dauert ebenfalls. Zeit ist Geld, das gilt auch in Ehingen. Das Schöne ist jedoch, dass Zeit beim Berg-Bier zum Geschmack wird und nicht zum Discounter-Preis, was immerhin eine Möglichkeit wäre.

Viel zu sagen gab es auch über die Rohstoffe, die natürlich aus der Region kommen. Braugerste aus integriertem Anbau (es wird nicht überdüngt!) von bestens bekannten Landwirten und Hopfen aus eigenem Tettnanger Vertragsanbau sowie aus der Hallertau. Macht insgesamt acht Bierspezialitäten ganzjährig, plus 5 saisonale Sorten. Die Verbraucher schätzen diese Aromen-Vielfalt, vor 20 Jahren wäre das noch undenkbar gewesen. Und mit der Craftbeer-Bewegung, die Ulrich Zimmermann positiv sieht, wird „Bier“ als natürliches Getränk weiter aufgewertet. Übrigens, auch künftig ist das „Deutsche Reinheitsgebot“ unverzichtbar, da es uns vor den Ersatzstoffen Mais oder Reis an Stelle von Gerste bewahrt, so die launigen Worte des Bergbier-Chefs. Wer das Bier unserer österreichischen Nachbarn trinkt, der wisse schießlich, was bei uns nicht (!) ankommt.
Was den Handel und das Handels-Marketing angeht, waren ebenso interessante wie ungewöhnliche Ansätze zu hören. Wer den Stuttgarter Markt erobern will, der braucht keine Fernsehwerbung, der sollte auf der Ausflügler-Alb erstmal kräftig Berg-Bier ausschenken. Den Rest besorgt dann wiederum die Zeit in Form von Kunden-Nachfragen beim örtlichen Getränkehändler. Ganz schön raffiniert dieses Non-Marketing. Die 60 Besucher des Abends hatten trotz Januar-Kälte ihr Kommen nicht bereut. Die Kommunikation und der Imbiss taten das Ihrige dazu.
Wenn schon Ulrich Zimmermann beim Begriff Marketing „fremdelt“, dann sei ihm jetzt doch ein Marketing-Stein auf den Berg geworfen. Vom 08. bis zum 10. Juli ist wieder „Ulrichsfest“ in Berg. Es bietet ein großes Programm mit Führungen, viel Musik auf 4 Festplätzen ...- naturnah!

Der Programm-Crew des Clubs sei ins „Stammwürze-Buch“ geschrieben: Über Bier zu sprechen, ohne an die Verköstigung zu denken, ist wie ein Marketingclub Vortrag ohne Marketing! Letztlich also ganz einfach – wie Ulrich Zimmermann bewiesen hat!
Zum Dank erhielt der Referent ... - kein Bier!
gm